Machte Capcom mit Teil sieben schon einen Schritt zurück und besann sich auf einige alte Tugenden der Resident-Evil-Reihe, geht es nun zeitlich noch weiter in die Vergangenheit. Denn mit Resident Evil 2 erscheint nun das Remake zum Survival-Horror-Klassiker von 1998. Doch kann man ein etwas 21 Jahre altes überhaupt so modernisieren, dass es auch heutzutage noch funktioniert? Nun, wir haben uns sowohl mit Claire Redfield als auch Leon S. Kennedy durch allerhand dunkle Gänge gegruselt, unzähligen Zombies die modrige Visage zerschossen und uns mit der fiesen Umbrella Corporation angelegt. Und die Antwort lautet: ja.
Das hat uns gefallen:
Resident Evil 2 war 1998 ein großartiges Spiel und auch das Remake im Jahr 2019 sorgt für grandiosen Horror-Spaß und dem ein oder anderen Spieler wohl auch einen Farbtupfer in der Unterhose beschert. Eine der Hauptgründe, warum auch Neueinsteiger in die Serie mit Resident Evil 2 ihren Spaß haben werden, ist natürlich, dass die Geschichte noch recht simpel gehalten ist und keine oder zumindest kaum Vorkenntnisse erwartet.
Die junge Claire Redfield und der Polizeirekrut Leon S. Kennedy erreichen zeitgleich die Stadt Raccoon City. Während Claire auf der Suche nach ihrem Bruder ist, von dem sie schon lange nichts mehr gehört hat, möchte Leon eigentlich seinen ersten Dienst im Polizeirevier antreten. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft merken die sie, dass in der Stadt irgendetwas ganz und gar nicht stimmt. Statt anderer Menschen begegnen ihnen Zombies, die nichts lieber täten, als den beiden Jungspunden das Fleisch von den Knochen zu nagen.
Wie schon im Original von 1998 dürft ihr selbst entscheiden, ob ihr als Leon oder Claire spielt. Spielablauf und Schauplätze sind hier in etwa gleich. Doch die Protagonisten erhalten unterschiedliche Waffen und einige Rätsel – Wege und wie Kämpfe unterscheiden sich. Zudem erhalten Leon und Claire unterschiedliche Hintergrundinformationen, da sie verschiedene Charaktere treffen. Während Claire auf das kleine Mädchen Shelly trifft, begegnet Leon der mysteriösen Ada Wong, die offensichtlich mehr zu den Ereignissen in Raccoon City weiß, als sie preisgeben möchte. Nach und nach kommen beide Protagonisten der bösen Umbrella Corporation auf die Schliche. Doch wer wirklich alles von der Geschichte möchte, sollte auf jeden Fall beide Kampagnen durchspielen.
Zudem schaltet ihr alternative Szenarien für Leon und Claire frei. Spielt ihr beispielsweise die Leon-Kampagne durch, erhaltet ihr eine zusätzliche, abgewandelte Kampagne mit Claire, die dort einsetzt, wo Leon sie in seiner Geschichte getroffen hat. Wer das ursprüngliche Resident Evil 2 damals gespielt hat, wird sich sofort heimisch fühlen aber dennoch einige mehr oder weniger große Überraschungen erleben.
Die Story ist zwar nach wie vor recht simpel, ist aber präsenter und wird durch stark inszenierte Cutscenes mit samt guter deutscher Synchronisierung viel besser erzählt. Der grundsätzliche Ablauf ist der des Originals. Doch einige Szenen sowie Charaktere wurden überarbeitet und teilweise auch an anderen Stellen eingefügt. Figuren wie zum Beispiel der schwerverletzte Polizist, den man zu Anfang es Spiels trifft, wurden etwas ausgebaut und die Dialoge komplett überarbeitet. Während das Original damals schon an einigen Stellen recht albern war und heutzutage an mancher Stelle gerade zu abgedroschen „käsig“ wirkt, verleihen die weiter ausgeschriebenen Charaktere und Dialoge dem Remake mehr Dramatik.
Die Geschichte wird sehr ernst erzählt und driftet nie ins unfreiwillig Komische ab. Doch auch die Areale selbst wurden ein wenig umgebaut. So sehen bekannte Orte wie die Eingangshalle des Polizeireviers oder die Bibliothek fast genauso aus, wie im Original, doch Kenner werden schnell ein paar Unterschiede feststellen. Einige Räume wie beispielsweise das S.T.A.R.S-Büro wurden zudem 1:1 übernommen, befinden sich nun jedoch an einer anderen Stelle des Polizeireviers, wodurch man einen ganz anderen Weg gehen muss, um dort hinzugelangen.
Auch bekannte Rätsel wurden umgebaut, fühlen sich aber noch sehr klassisch an. Das Remake von Resident Evil 2 verzichtet gänzlich auf altbackene Schiebereien von Statuen, was dem Spielspaß deutlich zuträglicher ist. Doch andere bekanntere Elemente wie das Sammeln von Medaillen oder das korrekte Anbringen von Steckschaltern sind immer noch erhalten, auch wenn die einzelnen Rätsel auch etwas anders sind, als im Original. Zudem findet man nun offensichtlicher Hinweise zu Lösungen der allgemein recht einfachen Kopfnüsse, sodass Neulinge nicht zu befürchten brauchen, wie der Ochs vorm Berg zu stehen.
Wenn sich ein Remake, trotz Modernisierungen, so nah ans Original hält, muss auch das ursprüngliche Genre vernünftig dargestellt werden. Und glücklicherweise gelingt dem Spiel auch das. Resident Evil 2 ist ein echter Survival-Horror, der euch mal das Blut in den Adern gefrieren lässt, mal für absolut panische Momente sorgt. Obwohl die Ego-Perspektive in Resident Evil 7 bei den meisten Spielern gut ankam, entschied man sich bei Resident Evil 2 wieder für die klassische Third-Person-Ansicht. Die Kamera ist jedoch so nah an der Spielfigur, dass man dennoch das Gefühl hat, direkt von den Zombies oder sonstigen Mutationen angefallen zu werden.
Klassisch ist zudem das begrenzte Inventar, das zumindest durch gefundene Taschen erweitert werden kann. Doch gerade zu Anfang muss man sich oftmals überlegen, welche Gegenstände man wirklich braucht oder ob es sich lohnt, nochmal durch eine Gang vollen Untoter zu laufen, um ein Item in deiner Kiste zu verwahren.
Wer schon einmal ein altes Resident Evil gespielt hat und „Kiste“ hört, kann sich zumindest sofort denken, dass ganz klassisch an Schreibmaschinen gespeichert wird. Im Remake muss man aber wenigstens keine Farbbänder mitschleppen, sondern kann einfach so an dem Gerät seinen Spielstand sichern. Die Speicherräume sind auch zumindest die einzigen Gebiete, wo ihr von den zahlreichen Gefahren des Spiels sicher seid. Capcom hat es nämlich geschafft, Zombies endlich wieder zu einer Bedrohung werden zu lassen, indem sie die Untoten ein wenig schneller, intelligenter und widerstandsfähiger gemacht haben. Im Original verfolgten euch die Zombies nicht durch Türen, doch im Remake haben die Moderhirne dazugelernt und bleiben euch auf den Fersen, sofern ihr sie nicht abhängt oder beseitigt. Die Beseitigung ist dabei gar nicht mal so einfach, denn zum einen ist Munition Mangelware und zum anderen halten die Biester ganz schön viel Treffer aus, bis sie endlich mal das Zeitliche segnen.
Selbst nach mehreren gezielten Kopfschüssen stehen die Mistviecher wieder auf oder kriechen auf euch zu. Die Zombies kriechen über Tische und klettern sogar über Geländer, um sich mehrere Meter in die Tiefe fallen zu lassen, nur um euch ans Leder zu gehen. Sogar außen herumstreichende Zombies können zur Gefahr werden, wen sie euch erspähen und durch ein Fenster brechen. Habt ihr gerade keine Bretter dabei, um das Fenster zu verbarrikadieren, kommt es mal wieder zum Kampf. Selbst wenn ihr die Zombies so sehr beschossen habt, dass der Kopf nur noch an einem kleinen Fetzen Haut hängt, kommen sie trotzdem oftmals auf euch zu gerannt. Überhaupt spielt der Splatterfaktor eine große Rolle.
Resident Evil 2 ist saumäßig brutal und trägt das 18er USK-Siegel vollkommen zurecht. Doch die Gewalt ist keine sinnlose Effekthascherei, sondern trägt konstruktiv zur Dramaturgie sowie zur Atmosphäre bei und hat auch spielerischen Nutzen: Schlurft ein Zombie mit fast komplett weggeschossenem Gesicht weiter auf euch zu, erhöht das nur die aufkommende Panik und wer Munition sparen möchte, kann dem lebendem Toten auch einfach die Beine wegschießen und an den kriechenden Geschöpfen vorbeirennen. Allerdings ist es nun weitaus schwieriger, den Zombies auszuweichen, als noch im Original. Die Gänge sind etwas enger und die Zombies schneller. Zudem kann man die beißwütigen Untoten nur abwehren, wenn man eine Zweitwaffe wie ein Messer oder Granaten mit sich führt. Ansonsten genehmigen sie sich ein Bissen Frischfleisch. Messer gehen nun mit der Zeit kaputt.
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Selbstverständlich trefft ihr im Spielverlauf aber nicht nur auf gewöhnliche Untote, sondern auch auf allerhand weitere Mutationen, die euch das Leben schwer machen. Doch egal, ob ihr nun gegen einen Standard-Zombie, einen Licker, dem mächtigen Tyrant oder ein mutiertes Krokodil antretet, das Design der Kreaturen ist fantastisch gelungen und jagt einem den ein oder anderen Schrecken ein. Zudem machen die Kämpfe gegen die verschiedenen Monster richtig Laune. Da sich die diversen Waffen unterschiedlich sowie schön wuchtig anfühlen und man an den Gegnern wundervoll das Treffer-Feedback beobachten kann.
Dass das zuständige Team von Capcom weiß, wie man das Original vernünftig aufpeppt, beweisen sie vor allem mit dem atmosphärischen Aufbau des Spiels. Waren die Räumlichkeiten im alten Resident Evil 2 noch hell beleuchtet, schickt euch das Remake nur zu gerne in die Finsternis. Vor allem im Polizeirevier ist in großen Teilen der Strom ausgefallen und Leon oder Claire bahnen sich langsam mit dem Schein ihrer Taschenlampe einen Weg durch die blutbesudelte und mit entstellten Leichen übersäten Gängen.
Resident Evil 2 spielt hervorragend mit Licht und Schatten, um euch in stetige Anspannung zu versetzen. Hinzu kommt eine absolut herausragende Soundkulisse, die eine zum schneiden dichte Gruselatmosphäre kreiert. Das Remake ist kein schnelles Actionspiel wie Teil sechs, sondern nimmt sich genügend Zeit, richtig Spannung aufzubauen, bevor es zur Eskalation kommt. Klar, auch Resident Evil 2 den ein oder anderem Jump-Scare. Doch im Großen und Ganzen entsteht der Horror aus der famosen und dem geschickten Spannungsaufbau. Zudem versteht es der Titel geschickt an manchen Stellen das Tempo wirkungsvoll anzuziehen. Die meiste Zeit ist Resident Evil 2 ruhig und stimmungsvoll. Doch dann konfrontiert es uns auf einmal mit einer riesigen Horde Zombies im Weg, einem mutierten Krokodil, das uns durch die Kanalisation jagt oder dem grimmigen Tyrant, der uns durch das komplette Polizeirevier verfolgt.
Zudem wurden die verschiedenen Areale abwechslungsreich gestaltet und bieten eigene Horrorelemente. Während man im Polizeirevier quasi allein im Dunkeln mit Monstern eingesperrt ist, wartet man in der Kanalisation in einem Sumpf voller Leichen und Därmen, zwischen denen sich seltsame Mutationen verstecken. Und in den Labors von Umbrella trifft man sogar noch auf weitere widerliche Kreaturen, die ganz deutlich zeigen, dass kein Mensch und schon gar nicht bösartige Konzerne Regenschirm im Logo, Gott spielen sollten.
Im Gegensatz zu vielen anderen Action-Adventures und auch einigen neueren Resident-Evil-Teilen, sind die verschiedenen Gebiete im Spiel nicht nur bloß Kulissen, durch die ihr hindurchgescheucht werdet. Sämtliche Areale sind quasi ein großes Rätsel, bei dem ihr verschiedene Dinge erfüllen müsst, um es zu lösen. Oder besser gesagt, einen Weg hindurch zu finden. Gelangt ihr in ein Gebiet, sind zunächst nur wenige Türen offen. Mal fehlt euch ein bestimmter Schlüssel für besondere Türen, mal fehlt euch ein bestimmter Gegenstand, um einen Mechanismus in Gang zu setzen. Dieser sorgt dann dafür, dass sich ein neuer Pfad öffnet oder ihr ein weiteres Item erlangt, das ihr für ein Rätsel benötigt, dessen Lösung wiederum eine vormals verschlossene Tür oder gar einen Geheimgang öffnet. Dies sorgt dafür, dass ihr die verschiedenen Gebiete im Spiel bald wie eure eigene Westentasche kennt.
Im Kontext des Spiels ist es absolut schlüssig, da ihr ja einem großen Geheimnis auf der Spur seid und euch zur Lösung durchknobeln müsst. Allerdings ist es auch Backtracking. Während dies bei anderen Titeln einfallslos erscheint und nur als Beschäftigungstherapie oder zur Spielzeitstreckung dient, fällt dies bei Resident Evil 2 kaum ins Gewicht. Spieler der alten Resident-Evil-Teile sind das Backtracking ohnehin gewohnt und das Remake kaschiert dieses Spielelement ganz gut. Eigentlich erfreut man sich letztendlich daran, dass man wieder einen Schritt weitergekommen ist.
Das hat uns nicht gefallen:
Es ist schwer, etwas Negatives über das Remake von Resident Evil 2 auszusetzen. Der Titel bietet alles das, was man sich als Spieler wünscht. Bis auf ein paar kleinere Clipping-Fehlern oder den an manchen Stellen fehlenden Texturen, können wir zumindest grafisch nichts beanstanden.
Lediglich die Bosskämpfe sind ein wenig enttäuschend, da sie immer in engen Arealen stattfinden, sehr kurz und auch etwas zu einfach sind. Die Schwachstellen der Bosse sind meist arg offensichtlich und in den meisten Fällen reicht es einfach aus in Bewegung zu bleiben, um mit etwas Abstand draufzuballern. Hier hätte man im Klassiker für die Neuauflage ruhig etwas mehr dran arbeiten können.
Fazit:
Vergleicht man das Original von 1998 mit dem Remake, ist es fast unglaublich, wie es den Entwicklern gelang, den Charme und die Stärken des Spiels ins Jahr 2019 zu schaffen. Capcom gelingt genau die richtige Balance zwischen Old School und Moderne. Klar werden Neueinsteiger aufgrund des klassischen und etwas fummeligen Inventarmanagements, des Rätseldesigns oder des Backtrackings leicht etwas verdutzt gucken, doch die Elemente haben Hand und Fuß du Resident-Evil-Veteranen wären wohl auf die Barrikaden gegangen, hätte Capcom zu viel klassischen Charme entfernt.
Das Entwicklerteam investierte die Modernisierung deshalb lieber in Elemente, die wirklich eine Generalüberholung brauchten. Technisch ist Resident Evil 2 nämlich absolute Klasse. Bis auf den ein oder anderen kleinen Clipping-Fehler oder ab und an mal etwas matschige Textur, sieht das Remake hervorragend aus. Die Charaktermodelle der Protagonisten und Nebenfiguren sind absolut top, das Design der Zombies und anderen Monstern ist herrlich widerlich und das Zusammenspiel zwischen Lichteffekten und der grandiosen Soundkulisse, sorgt für wunderbar unheimliche Gruselstimmung.
Selbst bei noch so viel Gesplatter und Explosionen auf dem Bildschirm, lief der Titel zudem immer flüssig.
Auch abseits der technischen Aspekte zeigen die zuständigen Entwickler von Capcom, wie man einen Klassiker würdig in die heutige Zeit bringt. Die Umgestaltung einiger Schauplätze, das Ausschreiben einiger Figuren und Veränderungen am Ablauf und Dialogen sorgen dafür, dass Resident Evil 2 ernster, düsterer und dramatischer wirkt. Überhaupt gelingt es dem Spiel wunderbar, mit der Dramaturgie und dem Tempo zu spielen, sodass man als Spieler immer schön angespannt ist. Egal ob ihr nun Resident-Evil-Nostalgiker oder Serien-Neueinsteiger seid: Wer sich gruselt, kommt an Resident Evil 2 in der Neuauflage nicht vorbei.