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Review: Anthem – Bioware ist zurück, oder etwa doch nicht?

Anthem ist ein Versprechen von Bioware, Story und online-Funktionen miteinander zu verbinden. Das Gute aus beiden Welten zusammen zu bringen. Nach dem Release am 22. Februar 2019, wollen wir jetzt schauen ob diese Versprechen gehalten werden können. Ob Bioware wie ein Phönix aus der Asche steigen kann, nachdem Mass Effect-Fans nicht sehr angetan waren von Andromeda, oder ob es eine komplette Katastrophe wird.

Das Anthem ist der Grund für alle Dinge. Es kann erschaffen und vernichten. Es der Grund warum diese Welt so ist wie sie eben ist. Fort Taris ist eine der letzten Bastionen der Menschen. Menschen, die sich normaler Arbeit widmen oder als Freelancer sehr gefährliche Aufgaben verrichten.

Die Glorreiche Zeit der Freelancer ist aber lange vorbei. Nachdem viele Forts gefallen sind, nicht nur durch das Anthem, sondern Gesetzlose oder andere Gefahren, ist unsere Zahl stark gesunken. Ich glaube aber, dass die Zeit der Freelancer wieder an die goldene Vergangenheit anknüpfen kann. Wir werden wieder als Helden gefeiert, in der Stunde der Not – das ist meine feste Überzeugung.

Jetzt muss ich aber erst einen Rundgang (Flug) machen, um zu sehen ob die Grenzen der Stadt sicher sind.

Das hat uns gefallen:

Nach zwei Demos, die nicht das fertige Spiel darstellen sollten, zeigt sich Anthem im „fertigen“ Zustand von seiner wirklich wunderschönsten Seite. Die Grafik von Anthem ist atemberaubend schön. Sicher, es gibt hier und da sehr kleine Popups und Pflanzen tauchen aus dem Nichts auf, aber sobald der Javelin angezogen wird und wir einen ersten Schritt in die Welt von Anthem setzen, verschlägt es einem die Sprache.

Egal wohin wir geflogen sind, es boten sich teilweise Aussichten, die selbst in einer Mission dafür sorgten, dass wir innehielten und alles betrachten wollten. Wasserfälle, Tiere und Wettereffekte waren und sind eine pure Augenweide. Auf der Xbox One X erstrahlt Anthem zudem in 4K und zeigt wunderschön knackige Texturen wohin wir blicken. Ob Fort Taris oder die Welt als solches.

Ebenso schön wie die Grafik ist der Soundtrack von Anthem. Schon im Menü ertönt der typische Anthem-Soundtrack, den schon viele Gamer vor dem Release gekauft haben. Die deutsche Synchronisation liefert einen sehr guten Job ab und klingt fast zu keiner Zeit unangenehm oder fehl am Platz. Natürlich ist die englische Originalspur noch um einiges besser. Für Liebhaber dieser Option gibt es natürlich auch die Möglichkeit auf Untertitel zurückzugreifen.

Kommen wir aber einem der Punkte, der neben der Grafik, wirklich für Eindruck gesorgt hat, als wir Anthem zum ersten Mal gespielt haben. Das Gameplay von Anthem ist einfach genial – vor allem sobald sich unser Javelin in die Lüfte erhebt. Bioware hat es geschafft eine sehr einfache, wie geniale Flugmechanik zu entwickeln. Es hat schon sehr viel davon wie Ironman zu fliegen und doch fühlt es sich frisch und interessant an.

Zudem bringt Anthem dadurch eine Vertikalität ins Spiel, die sich natürlich anfühlt, ohne „übermächtig“ zu sein. Begünstigt wird dies dadurch, dass ihr nicht unbegrenzt lang mit eurem Javelin fliegen könnt. Die Triebwerke überhitzen nach einiger Zeit. Interessant ist aber, dass ihr den Flug verlängern könnt, indem ihr in einen Sturzflug übergeht oder durch Wasser bzw. einen Wasserfall fliegt. Dann kühlen die Triebwerke runter und der Flug kann weitergehen.

Zum sogenannten „Gunplay“ kann gesagt werden, dass Bioware hier viel von der Mass Efect-Reihe lernen konnte. Nach der Tutorial-Mission ist es schnell klar, wie der Javelin zu lenken ist. Javelins kommen in vier Ausführungen, die sich alle unterschiedlich spielen. Der Ranger ist der Einstieg und bietet wohl das größte Ironman-Gefühl. Storm unterscheidet sich am stärksten von den anderen Modellen. Er bringt die Gewalt der Elemente ins Spiel mit Feuer, Eis und Blitz. Eben jene können zu einer Kombination mit anderen Fähigkeiten oder Javelins genutzt werden und so mehr EXP genieren. Der Interceptor ist auf Nahkampf ausgelegt und der schnellste der vier Javelins, allerdings hält er auch von allen am wenigstens aus, wenn es darum geht Schaden einzustecken. Schaden einstecken ist für den Colossus sozusagen sein täglich Brot. Ohne Schilde stürzt der Panzer auf zwei Beinen ins Gefecht und ist sozusagen der Tank – wenn man im MMO-Terminus eintauchen möchte – der Gruppe.

Jeder Javelin hat zudem eine ultimative Fähigkeit, die euch in brenzligen Situationen mehr als einmal den Metallhintern retten werden.

In puncto Story müssen wir den ersten Vergleich zu Destiny ziehen, da beide Titel im Grunde sehr ähnlich sind. Anders als Destiny hat Bioware aber versucht Cut-Scenes direkter einzubinden und mehr auf Story gesetzt. Selbst in kleineren Nebenmissionen ist dies deutlich sichtbarer, als beispielsweise in Destiny 1 und 2.

Das hat uns nicht gefallen:

Leider hat Bioware zu wenig von Bungies Fehlern gelernt und einige sogar wiederholt. Kommen wir aber zunächst einem Problem, das euch das gesamte Spiel von Anthem begleiten wird: Ladezeiten. An jeder Ecke, zu jeder Zeit werdet ihr in Anthem warten. Selbst die Aufzüge in Mass Effect waren dagegen ein Spaziergang im Park. Betretet ihr die Welt wird geladen. Nach einer Mission habt ihr nicht die Wahl ob ihr im Spiel bleiben wollt, ihr werden geportet mit dem Resultat: Ja, genau! Ladezeit. Geht ihr dann ins Fort erwartet euch zunächst eine Ladezeit. Sie sind einfach überall und viel, viel zu lange.

Das nächste Problem, das direkt an die Fehler von Destiny anknüpft: schlechtes Missionsdesign. In Anthem werdet ihr euch häufig, sehr häufig, dabei erwischen, wie ihr diverse Dinge einsammelt oder in einem vordefinierten Kreis steht, diesen nicht verlassen könnt, und eine Welle von Feinden nach der nächsten besiegen müsst. Gepaart mit einer sehr schlechten KI der Gegner gibt es kaum Motivationsmomente, die einen anhalten weiterzumachen, zu schauen was hinter der nächsten Ecke lauert. Eines der besten Beispiele dafür dürfte die Grabmission sein, die einfach die Spielzeit künstlich in die Länge zieht. Jedes Grab, vier an der Zahl, kann nur dann betreten werden, wenn ihr bestimmte Aufgaben erledigt, wie 50 Gegner mit dem ultimativen Angriff zu töten. Das waren in vielen Spielen Aufgaben zu Grinden von EXP oder Geld, das sollte keine Hauptmission sein – egal wie man darüber denken mag.

Noch schlimmer als das ist das Endgame in Anthem. Nach Abschluss der Story erwarten euch drei Strongholds – eine davon ist im Grunde nur die Wiederholung der letzten Mission der Hauptstory – einfallslos wäre da wohl noch geschmeichelt. Abseits der Strongholds könnt ihr die kleinen Events im Spiel selbst erledigen oder tägliche, wöchentliche und monatliche Aufgaben erfüllen – das aber war es schon.

Dann gibt es sogar Punkte, die Bioware schlechter darstellt als die direkte Konkurrenz von Bungie. Der Loot zum Beispiel. In den ersten E3-Trailern konnten wir noch sehen, wie ein „Engramm“ eingesammelt wurde und sozusagen das Würfeln um guten Loot begann. Selbst im Spiel direkt wurde dann gezeigt welche Waffen es mit welchen Stats geworden ist. Im fertigen Spiel fehlt davon jede Spur. Noch während der Story werdet ihr höchstwahrscheinlich mehr graue und grüne Objekte finden, als blau, lila oder sogar legendär. Und selbst wenn ihr diese findet sind sie einfach nur „meh“. Es sind Waffen, die fast identisch aussehen, und nur eine andere Farbe haben und etwas mehr Schaden austeilen, als beispielsweise eine komplett gewöhnliche Waffe.

Zum Loot gehört auch das Geld, die sogenannten Coins, die für das Abschließen von Herausforderungen oder Aufgaben erhaltet. Es sind meist zwischen 500 und 2000 Coins die euch erwarten. Klingt viel, ist es aber nicht. Um Waffen selbst craften zu können, auf deren Eigenschaften ihr dann keinen Einfluss habt, müsst ihr beispielsweise Ember finden oder kaufen. Kauft ihr meisterhaftes Ember kostet eines davon 5000 Coins. Gebraucht werden aber 25 um eine Waffe zu craften – so viel Mathe bedarf es da nicht, um zu wissen, dass es eine Ewigkeit dauern wird, so viel Geld zu grinden.

Eine Sache, die uns „negativ“ aufgefallen ist, aber im Grunde kaum Gewicht für sich hat, ist das Fehlen eines Übersichtsbildschirms, der uns Anzeigt wie stark unser Javelin derzeit ist, wie viel Schilde oder Rüstungen wir besitzen oder wie viel Schaden wir aktuell austeilen. Das fehlt leider auch in Anthem.

Der letzte negative Punkt geht an die Javelins selbst. Bioware hatte hier die Möglichkeit einen Suchtfaktor ins Spiel zu bringen – die Möglichkeit immer neue Rüstungsteile zu finden. Neue Helme, oder andere Anpassungen, doch davon gibt es pro Javelin zum Launch des Spiels nur zwei – drei wenn ihr die Special Edition von Anthem gekauft habt. Das aber war es schon. Anthem hätte den Need for Speed-Gedanken aufgreifen und Anpassung ins Spiel bringen können, abseits von Farben oder Folien. Selbst die Folien sind bescheiden, wenn es um ihre Vielzahl geht – zudem sind sie sehr teuer, wenn ihr mit ingame Geld bezahlen wollt.

Fazit:

Anthem sieht wunderschön aus, es ist sogar wohl das derzeit schönste Spiel auf dem Markt – ohne Frage. In 4K und mit HDR verschlägt es uns im gefühlten Sekundentakt die Sprache. Der tolle Soundtrack tut da nur sein Übriges.

Aber Anthem ist voller Schwächen, und wir haben die diversen Abstürze und Soundbugs, schon außenvor gelassen. Es leidet unter schwachen Missionsdesign, schlechter Gegner KI, uninteressanten Endgame-Content, sehr schwachen Loot und einer Unendlichkeit an Ladebildschirmen.

Ist Anthem also komplett schlecht? Nein, auf keinem Fall – es macht Spaß mit dem Javelin seiner Wahl zu fliegen, auf Gegnerhorden zu feuern und sich wie Ironman zu fühlen – zum Launch aber ist es genau wie Destiny seiner Zeit: nicht fertig, unausgereift und unmotivierend.

Gerade von Bioware, den Machern von Star Wars: Knights of the Old Republic, der Mass Effect-Reihe und Dragon Age, sind wir mehr und besseres gewohnt.

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